Eigentlich ist ein Friseursalon nicht das Erste was einem in den Sinn kommt, wenn man an Inspirationsquellen für neue Rezeptideen denkt. Zwar liegen dort meist etliche Zeitschriften mit Rezepten für die wartende Kundschaft aus, doch selten sind diese wirklich inspirierend. Das ist bei meinem Salon glücklicherweise anders. Dort liegen zwar auch die gängigen Zeitschriften, aber eben auch das „NOMA“-Kochbuch von Starkoch René Redzepi. Die Rezepte geben einen Einblick in die neue nordische Küche auf Weltklasseniveau – eine wahrlich ergiebige Fundgrube. Das NOMA stand nicht umsonst schon fünfmal an der Spitze der Restaurantrangliste „The World’s 50 Best Restaurants“.
Draußen blüht gerade der Lavendel und verströmt seinen betörenden Duft, der Thymian vorm Haus fängt an zu wuchern und die Grillsaison nimmt so richtig Fahrt auf. Da fiel mein Augenmerk sofort auf die „Gegrillte Birne in Kräuterblütenmarinade“. Dazu gibt es im Originalrezept eine Sauce aus dunklem Bier und Enteninnereien – letztere habe ich durch Kräuterseitlinge ersetzt.
Das Gericht lebt vom Zusammenspiel der gegensätzlichen Geschmacksrichtungen der einzelnen Komponenten. Die intensive Süße der vollreifen Birne wird perfekt ausbalanciert von der Bitternote der umamireichen Sauce. Beides wird ergänzt von der wunderbar blumig-würzigen Kräuterblütenmarinade, so dass ein harmonisches Ganzes entsteht.
Mit diesem Rezept betrete ich – für mich – absolutes Neuland, da ich bisher keinerlei persönliche Erfahrung mit Bier hatte. Ich habe mich schon vor meinem ersten Bier vom Alkohol verabschiedet. Andererseits bin ich großer Fan von Bitternoten, was wiederum Bier durchaus interessant macht. Ich werde auch nach diesem gelungenen „Experiment“ wahrscheinlich kein ausgesprochener Biertrinker, aber ich habe Bier jetzt auf jeden Fall in mein Repertoire von interessanten Kochzutaten aufgenommen.
Hopfenbitterstoffe
Bier hat ein einzigartiges Geschmacks- und Aromenprofil. Seine charakteristische Bitterkeit verdankt das Bier dem Hopfen (Humulus lupulus). Genauer gesagt den Lupulin-Drüsen der weiblichen Hopfendolden, die das Hopfenharz produzieren. Dieses Hopfenharz hat eine komplexe Zusammensetzung, wobei die im sogenannten Weichharz enthaltenen Humulone (α-Säuren) und Lupulone (β-Säuren) die Hauptinhaltsstoffe sind. Aus brautechnischer Sicht sind vor allem die Humulone von herausragender Bedeutung für den Biergeschmack [1].

Der Hopfen wird während des Würzekochens der Würze zugesetzt. Dabei wandeln sich die thermisch instabilen Humulone in die entsprechenden cis– bzw. trans-Isohumulone um [2]. Vor allem letztere sind der eigentliche Hauptverantwortliche für den charakteristischen bitteren Biergeschmack.

Isohumulone sind ausgesprochene Multitalente. Denn sie sind nicht nur geschmacksprägend, sondern auch für die Schaumbildung und die Haltbarkeit des Bieres verantwortlich.
Einfach, aber genial
Das Rezept besteht nur aus drei Komponenten – gegrillte Birne, Kräuterblütenmarinade & Sauce –, die zusammen aber eine unglaubliche Harmonie und Geschmackskomplexität ergeben. Die Umsetzung ist denkbar einfach und erfordert zwar etwas Vorbereitungszeit, aber nur wenig Arbeitsaufwand.
Für die gegrillte Birne musst Du nur die vollreifen Birnen schälten, halbieren und entkernen, bevor Du sie – mit der Schnittfläche nach unten – auf den Holzkohlegrill legst. Dort bleiben sie bis die Schnittfläche schön gebräunt ist und der Zucker anfängt zu karamellisieren. Anschließend werden die Birnenhälften noch leicht gesalzen und mit Thymianöl eingepinselt.
Der Hauptbestandteil der Kräuterblütenmarinade ist Thymianöl. Hierfür ist etwas Handarbeit gefragt, denn als erstes musst Du die Blättchen von den holzigen Stängeln zupfen. Diese werden dann mit Petersilie und dem Traubenkernöl im Hochleistungsmixer püriert. Das Ganze lässt Du mehrere Stunden ziehen, damit sich das Thymianaroma optimal im Öl lösen kann. Anschließend filterst Du das Öl durch ein Mikrosieb oder einen Kaffeefilter. Auf diese Weise erhältst Du ein klares, strahlend grünes und hocharomatisches Thymianöl. Damit die brillante Farbe erhalten bleibt, solltest Du das fertige Thymianöl bis zu seinem Einsatz am besten lichtgeschützt im Kühlschrank lagern.
Was die Blüten betrifft, habe ich mich für Lavendelblüten entschieden. Der Hauptgrund hierfür ist, dass der Lavendel gerade in voller Blüte stehen und ich ausreichende Mengen an Blüten ernten kann. Der andere Grund ist, dass ich finde, dass Birne und Lavendel eine wunderbar harmonische Kombination sind. Du kannst aber auch Thymian- oder Rosmarinblüten verwenden, wenn Du keinen Lavendel im Garten hast.

Für die Pilzsauce werden zuerst die klein geschnittenen Schalotten und Kräuterseitlinge so lange in der Pfanne angebraten, bis die Pilze einen Großteil ihrer Flüssigkeit verloren haben. Anschließend mixt Du den Pfanneninhalt in einem Hochleistungsmixer bei mittlerer Geschwindigkeit fein. Es sollte aber keine „perfekt“ homogene Masse sein, sondern die Pilzstruktur sollte noch leicht zu erkennen sein. Die Pilzmasse gibst Du zurück in die Pfanne, fügst das Bier hinzu und lässt alles – bei mittlerer Hitze – um die Hälfte reduzieren. Jetzt gießt Du mit dem Pilzfond (nach diesem Rezept) auf und lässt die Sauce noch einmal um die Hälfte einkochen, bis sie eine schöne dickflüssige Konsistenz hat. Die fertige Sauce schmeckst Du mit Pilzgarum oder Sojasauce ab und hältst sie bis zum Anrichten warm.
Zum Anrichten vermischst Du die Pilzsauce mit zwei Esslöffeln Lavendelblüten und 50 ml Thymianöl und verteilst die fertig gemischte Sauce auf vorgewärmten Tellern. Anschließend platzierst Du auf jedem Teller eine gegrillte Birnenhälfte und bestreust alles mit den restlichen Lavendelblüten und den gezupften Thymianblättchen. Fertig zum Servieren.
Guten Appetit!

Birne – Pilze – Thymian – Lavendel
Zutaten
- 2 vollreife Birnen
- Salz
- 4 EL frische Lavendelblüten
- 2 EL Thymianblättchen
Thymianöl
- 100 g Thymian
- 40 g Petersilie
- 100 ml Traubenkernöl
Pilzsauce mit dunklem Bier
- 200 g Kräuterseitling oder Waldpilze der Saison
- 50 g Schalotten
- 5 g Thymian
- 250 ml dunkles Bier alkoholfrei
- 150 ml Pilzfond siehe Grundrezepte
- 2 EL Olivenöl
- 10 ml Pilzgarum oder Saishikomi Shoyu (zweifach fermentierte Sojasauce)
Anleitungen
Gegrillte Birne
- Die Birnen schälen und längs halbieren. Das Kerngehäuse entfernen und in dicke Scheiben schneiden.
- Die Birnenhälften mit der Kerngehäuseseite nach unten auf den Grill legen und so lange grillen bis sie Farbe nimmt.
- Die Birne von Grill nehmen, leicht salzen und mit Thymianöl einpinseln.
Thymianöl
- Die Thymianblätter von den Stängeln zupfen und die Petersilienblätter kleinschneiden.
- Die Kräuter und das Öl im Hochleistungsmixer für 10 min bei voller Leistung mixen, in ein Schraubdeckelglas umfüllen und für 12 Stunden (über Nacht) im Kühlschrank ziehen lassen.
- Durch ein Mikrosieb abgießen und ohne Druck in ein passendes Gefäß abtropfen lassen. Das Kräuteröl verschlossen und lichtgeschützt im Kühlschrank aufbewahren.
Pilzsauce mit dunklem Bier
- Schalotten schälen und Kräuterseitlinge putzen. Beides kleinschneiden.
- Die klein geschnittenen Schalotten in einer Pfanne in dem Olivenöl anschwitzen bis sie glasig sind.
- Die Pilze hinzufügen und so lange braten bis die Pilze einen Großteil ihrer Flüssigkeit verloren haben und schön gebräunt sind.
- Kurz abkühlen lassen und im Hochleistungsmixer bei mittlerer Geschwindigkeit fein mixen. Es sollte aber keine "perfekt" homogene Masse sein, sondern die Pilzstruktur sollte noch leicht zu erkennen sein.
- Die Masse zurück in die Pfanne geben, das Bier hinzufügen und um die Hälfte reduzieren lassen.
- Den Pilzfond hinzufügen und noch mal um die Hälfte einkochen lassen.
- Die fertige Sauce mit Pilzgarum oder Sojasauce abschmecken.
Anrichten
- Die Teller vorwärmen. Die Sauce mit 2 Esslöffel Lavendelblüten und 50 ml Thymianöl vermischen und auf den Tellern verteilen. Die Birnenhälften auf dem Teller platzieren und mit den restlichen Lavendelblüten und den gezupften Thymianblättchen bestreuen.
Inspiration
René Redzepi (2011) NOMA – Zeit und Ort in der nordischen Küche. Phaidon by Edel. ISBN: 978-3841901200
Quellen
[1] Dresel M, Vogt C, Dunkel A, Hofmann T (2016) The Bitter Chemodiversity of Hops (Humulus lupulus L.). J Agric Food Chem 64: 7789-7799. DOI: 10.1021/acs.jafc.6b03933
[2] Steenackers B, De Cooman L, De Vos D (2015) Chemical Transformations of Characteristic Hop Secondary Metabolites in Relation to Beer Properties and the Brewing Process: A Review. Food Chem 172: 742-756. DOI: 10.1016/j.foodchem.2014.09.139