Schaflabneh – Radicchio – Roselle – Rosengewächse

Symphonie in ROT. Die Kombination aus cremigem Schaflabneh, bitterem Radicchio, aromatischem Hibiskus und fruchtig-scharfem Himbeersenf ist nicht nur farblich ein absolutes Highlight.

Um es vorneweg klarzustellen, ich bin ein sehr großer Fan von Radicchio. Die Kombination aus leuchtend weinroter Farbe und leichter Bitternote finde ich einfach grandios. Aber gerade der letzte Aspekt birgt das Problem, das manche mit Radicchio haben, denn bitter ist ein Geschmack an dem sich die Geister scheiden. Die einen lieben ihn, die anderen finden ihn eher widerlich. Dies hat einerseits mit unserer Genetik, andererseits mit unserer Erfahrung, zu tun. Ursprünglich soll uns der bittere Geschmack vor potentiell giftigen Substanzen in unserer Nahrung warnen. Daher lehnen besonders Kinder bittere Lebensmittel meist ab. Im Laufe unseres Lebens lernen wir dann eine gewisse Bitternote zu schätzen, da sie manchen Lebensmitteln gerade das gewisse Etwas verleiht.

Botanisch gesehen ist Radicchio – ebenso wie Chicorée, Zuckerhut, Vulkanspargel oder Wurzelzichorie – eine Kulturform der Gemeinen Wegwarte (Cichorium intybus), die auch bei uns an vielen Straßenrändern und Brachflächen ihre himmelblauen Blüten erstrahlen lässt. Mit dieser Stammart teilen die verschiedenen Zuchtformen das gleiche Repertoire an Bitterstoffen, nämlich sogenannte Sesquiterpenlactone [1,2]. Diese Stoffgruppe ist typisch für Korbblütler (Asteraceae), zu denen die Wegwarte gehört, und ist z.B. auch für den bitteren Geschmack von Löwenzahn oder Wermutkraut verantwortlich[3-5]. Im Falle von Radicchio & Co. sind die wichtigen Bitterstoffe Lactucin, 8‑Desoxylactucin, 11β,13‑Dihydrolactucin und Lactucopicrin.

Der Radicchio ist tief in der Kulinarik seiner Heimat, der norditalienischen Region Venetien, verwurzelt. Die Verwendung reicht von gegrilltem Radicchio, über Risotto bis hin zu Süßspeisen. Leider fristet er bei uns meist ein Schattendasein als Salat oder wird – wegen seiner brillanten Farbe – gar zur reinen Dekoration degradiert.

Um den Radicchio sowohl kulinarisch als auch optisch ins Rampenlicht zu rücken, kam mir die Idee zu den Labneh-Bällchen in einem Körbchen aus kandiertem Radicchio. Inspiriert hat mich dabei mein Rezept „Labneh – Salzgurke – Kopfsalat“. Wie bei diesem habe ich versucht, eine harmonische Verbindung zwischen den kontrastierenden Texturen – Knusprigkeit & Cremigkeit – und Geschmacksrichtungen – Süße, Säure & Bitterkeit – zu schaffen.

Zuerst habe ich die kandierten Radicchio-Körbchen hergestellt. Da ich nur die weinroten Blattanteile des Radicchios benötige, empfehle ich die Sorten Rosso di Chiogga, Rosso di Verona oder Rosso di Treviso Precoce. Diese Sorten bilden feste Köpfe mit einem relativ hohen Rotanteil. Die weinroten Blattanteile werden in einem Sirup aus Zucker, Himbeeressig und Rosenwasser kandiert. Das spätere Körbchen erhält dadurch eine wunderbar fruchtig-florale Note, die – wie ich finde – äußerst gut zu ihm passt. Durch die Säure im Sirup behält der Radicchio seine wunderbar weinrote Farbe. Die kandierten Blätter werden mit Hilfe von Silikonförmchen zu Körbchen arrangiert und im Ofen sanft bis zur gewünschte Knusprigkeit getrocknet.

Die cremigen Labneh-Bällchen habe ich dieses Mal aus Schafjoghurt zubereitet, der geschmacklich sehr gut mit Radicchio und auch Himbeeren harmoniert.

Für die Ummantelung der Labneh-Bällchen habe ich Hibiskus-Salz aus Roselle-Blüten, Fenchel, rosa Pfefferbeeren und getrockneten Rosenblüten verwendet. Dieses steuert neben seiner brillanten roten Farbe auch noch eine gewisse herbe Säure und florale Note bei. Für alle die noch nie von Roselle (Hibiscus sabdariffa) gehört haben: Die Roselle wird auch Afrikanische Malve genannt und ihre Blüten sind bei uns als Hibiskus-Tee oder auch in Sirup eingelegt im Handel.

Das Labneh-Bällchen ruht auf einem Bett auch Radicchiopüree, das mit Himbeeressig, Rosenwasser und Honig abgeschmeckt wird. Das Tüpfelchen auf dem i ist ein kleiner Klecks Himbeersenf, der eine wunderbar fruchtige Schärfe beisteuert.

Auch wenn sich das Rezept erst einmal ziemlich aufwendig anhört, kannst Du die einzelnen Komponenten unabhängig voneinander vorbereiten. Wenn die Gäste kommen, lässt sich alles ganz leicht zusammensetzen.

Deine Gäste werden jedenfalls sowohl optisch als auch geschmacklich begeistert sein. Bon Appetit!

Als alkoholfreie Getränkebegleitung empfehle ich Dir meinen „Red Radicchio Bitter“, der gewissermaßen das flüssige Pendant zu diesem Amuse-Gueule darstellt.

Körbchen aus kandierten Radicchio gefüllt mit Radicchio-Püree und einem Bällchen aus Schafslabneh ummantelt mit Hibiskus-Salz

Labneh – Radicchio – Hibiskus – Rosengewächse

Symphonie in ROT. Die Kombination aus cremigem Schafslabneh, bitterem Radicchio, aromatischem Hibiskus und fruchtig-scharfem Himbeersenf ist nicht nur farblich ein absolutes Highlight.
Gericht Amuse-Gueule
Portionen 8

Zutaten
  

Labneh

  • 500 g Schafsjoghurt

Kandierter Radicchio

  • 1 Radicchio Rosso di Chioggia (50 g für das Radicchio-Püree beiseitestellen)
  • 100 ml Himbeeressig
  • 100 ml Rosenwasser
  • 100 g Zucker

Radicchio-Püree

  • 50 g Radicchio Rosso di Chioggia
  • 25 ml Himbeeressig
  • 25 ml Rosenwasser
  • 1 TL Honig
  • 1 Prise Salz

Hibiskus-Salz

  • 10 g Hibiskusblüten
  • 2 g Fenchelsamen
  • 2 g Rosa Pfefferbeeren
  • 1 g getrocknete Rosenblüten
  • 5 g Salz

Himbeer-Senf

  • 50 g Senf
  • 25 g Senfpulver
  • 50 ml Himbeeressig
  • 100 g Honig
  • 150 g Himbeeren

Dekoration

  • 1 Rosenblatt in feine Streifen geschnitten

Anleitungen
 

Labneh

  • Den Schafsjoghurt in einem Passiertuch aufgehängt für mehrere Stunden (am besten über Nacht) abtropfen lassen. Um den Vorgang zu beschleunigen, kann man das Passiertuch mehrmals ausdrücken. Die austretende Molke auffangen, um den Grad der "Entwässerung" zu bestimmen. Für mein Rezept wären das bei 500 g Schafsjoghurt etwa 150 ml Molke.
  • Labneh aus dem Passiertuch nehmen und kleine Bällchen formen (Ø 2 cm)

Kandierter Radicchio

  • Rosenwasser, Himbeeressig und Zucker zusammen aufkochen bis sich der Zucker vollständig gelöst hat.
  • Die Radicchioblätter vorsichtig vom Strunk lösen und den weißen Anteil abschneiden. Von den weinroten Blattanteilen etwa 50 g für das Radicchio-Püree beiseitestellen.
  • Die weinroten Blattanteile für ca. 1 min in dem heißen Rosenwasser-Himbeeressig-Sirup ziehen lassen. Herausnehmen und jeweils 2 Blattstücke übereinander auf eine Halbkugel-Form (Ø 3,5 cm) aus Silikon platzieren – ich verwende die Rückseite einer Cake-Pop-Form. Im Ofen bei 70 °C für etwa 5-6 h trocknen.

Radicchio-Püree

  • Die weinroten Blattanteile zusammen mit dem Rosenwasser und dem Himbeeressig pürieren und in einem Metall-Kaffeefilter abtropfen lassen. Das abgetropfte Püree mit Honig und Salz abschmecken. Püree in einen Spritzbeutel füllen und bis zur Verwendung im Kühlschrank aufbewahren.

Hibiskus-Salz

  • Alle Zutaten zusammen in einer Kaffeemühle oder Küchenmaschine feinmahlen und anschließend durchsieben.

Himbeer-Senf

  • Den Senf mit dem Senfpulver und der Hälfte des Himbeeressigs glattrühren.
  • Den Honig erwärmen und mit den Himbeeren und dem restlichen Himbeeressig für 15 min köcheln lassen.
  • Die Himbeer-Honig-Masse durch ein Sieb streichen und mit der Senfmischung verrühren. Anschließend den heißen Himbeer-Senf in ein sterilisiertes Einmachglas abfüllen und sofort verschließen.

Fertigstellen

  • Labneh-Bällchen im Hibiskus-Salz wälzen bis sie vollständig ummantelt sind. Einen kleinen Klecks Radicchio-Püree in jedes Körbchen dressieren, ein Labneh-Bällchen daraufsetzen und etwas Himbeersenf darauf geben. Mit einem Rosenstreifen dekorieren.

TIPP!

Die einzelnen Komponenten lassen sich wunderbar vorbereiten und vor dem Servieren super schnell fertigstellen. Das Hibiskus-Salz kann man in einem Schraubdeckelglas nahezu unbegrenzt (im Kühlschrank) lagern. Labneh hält im Kühlschrank mindestens 2-3 Tage. Die kandierten Radicchio-Körbchen ziehen leider relativ schnell Wasser und werden dann weich. Um dies zu verhindern sollte man sie – zusammen mit Silicagel – luftdicht verschlossen aufbewahren. Alternativ dazu kann man die Körbchen vor dem Servieren noch einmal für etwa 1 Stunde bei 70°C in Ofen trocknen, bis sie wieder knusprig sind.

Quellen

[1] Seto M, Miyase T, Umehara K, Ueno A, Hirano Y, Otani N (1988) Sesquiterpene Lactones from Cichorium endivia L. and C. intybus L. and Cytotoxic Activity. Chem Pharm Bull (Tokyo) 36: 2423-2429. DOI: 10.1248/cpb.36.2423.

[2] Kisiel W, Zielińska K (2001) Guaianolides from Cichorium intybus and Structure Revision of Cichorium Sesquiterpene Lactones. Phytochemistry 57: 523-527. DOI: 10.1016/s0031-9422(01)00072-3.

[3] Shulha O, Zidorn C (2019) Sesquiterpene Lactones and their Precursors as Chemosystematic Markers in the Tribe Cichorieae of the Asteraceae Revisited: An update (2008-2017). Phytochemistry 163: 149-177. DOI: 10.1016/j.phytochem.2019.02.001.

[4] Kelsey RG, Shafizadeh F (1979) Sesquiterpene Lactones and Systematics of the Genus Artemisia. Phytochemistry 18: 1591-1611. DOI: 10.1016/0031-9422(79)80167-3.

[5] Fraga BM, Díaz CE, Bailén M, González-Coloma A (2021) Sesquiterpene Lactones from Artemisia absinthium. Biotransformation and Rearrangement of the Insect Antifeedant 3α-hydroxypelenolide. Plants 10: 891. DOI: 10.3390/plants10050891.

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