Ich bin gerade aus meinem Sommerurlaub in Österreich zurück. Die letzten zwei Wochen habe ich mit meiner Familie auf dem Kendlhof – einem kleinen Bauernhof in Werfenweng im Salzburger Land – verbracht. Neben den Tieren, gab es dort auch einige vor Früchten strotzende Obstbäume. So kam es, dass wir nicht nur schöne Erinnerungen aus dem Urlaub mit nach Hause brachten, sondern auch noch 15 kg Mirabellen.

Den größten Teil der Mirabellen habe ich zu Konfitüre und Fruchtleder verarbeitet. Der verbleibende Rest landete in meiner heutigen Dessertkreation „Kamilleneis – Mirabelle – Mandel – Meringe“.
Wohltuender Genuss
Die Idee zu diesem Rezept schwirrte mir schon seit längerem im Kopf herum. Ausgangspunkt war die Idee für das Kamilleneis und die damit verbundene Frage nach einem geeigneten Partner. Kamilleneis hört sich für Dich im ersten Moment vielleicht etwas verrückt an. Wahrscheinlich denkst Du bei Kamille eher an Magenbeschwerden und Unwohlsein, als an Dessert. Das liegt wohl an den entzündungshemmenden, krampflösenden und antibakteriellen Eigenschaften der Echten Kamille (Matricaria recutita), die sie als Heilpflanze fest in der Volksmedizin verankert haben [1]. Wer hat nicht schon einmal sein Bauchweh mit Kamillentee kuriert? Aber Kamillenblüten sind nicht nur wohltuend, sondern zeichnen sich auch durch ein angenehmes, zart blumiges Aroma – mit süßlicher Honignote – aus. Der charakteristische Kamillenblütenduft wird dabei von α‑Bisabolol und seinen Oxidationsprodukten Bisabololoxid A & B und Bisabolonoxid A dominiert [2]. Diese Stoffe sind aber nicht nur für das Aroma der Kamillenblüten verantwortlich, sondern tragen auch zu der gesundheitsfördernden Wirkung bei.

Mein Kamilleneis
Normalerweise verwende ich für meine Milcheiskreationen eine klassische englische Creme – aus Milch, Eigelb & Zucker – als Basis (siehe mein Rezept für Weißes Kaffee-Eis). Für mein Kamilleneis habe ich das Grundrezept etwas abgewandelt. Statt Milch verwende ich mit Kamillenblüten aromatisierte Sahne, dadurch wird das Eis später besonders cremig. Zudem habe ich einen Großteil des Zuckers durch Lindenhonig ersetzt. Dieser dient nicht nur als schnödes Süßungsmittel, sondern steuert zusätzliche florale Noten bei und erhöht so die Aromenkomplexität des Kamilleneises. Neben (E)-β-Damascenon, mit seinem süßlich-blumigen Honigduft, tragen vor allem das blumig-rosenartige cis-Rosenoxid und – nomen est omen – der minzige Lindenether zum einzigartigen Aroma von Lindenhonig bei [3].

Auf Partnersuche
Auf der Suche nach einem geeigneten Partner für das Kamilleneis kam mir zuerst Birne in den Sinn. Doch wie es der Zufall so will, komme ich immer an einem wildwachsenden Mirabellenbaum vorbei, wenn ich meinen Sohn zur Schule begleite. So kam mir der Gedanke, dass vielleicht auch die süß-saure Mirabelle – mit ihrer intensiven Fruchtigkeit – hervorragend mit der blumigen Note der Kamillenblüten harmonieren könnte. Beide verbindet jedenfalls eine zarte Honignote. Nachdem ich die Theorie in die Praxis umgesetzt hatte, war ich restlos überzeugt, weswegen ich hier das Rezept mit Dir teile.

Das Rezept sieht auf den ersten Blick ziemlich aufwendig aus, da es eine ganze Menge an Teilkomponenten beinhaltet. Wir haben das Kamilleneis, ein Kamillengel, die Mirabellen – in Form von Granité, Gel & Fruchthälften –, sowie Mandelstreusel und schließlich italienische Meringe. Die einzelnen Komponenten bilden dabei ein perfektes Zusammenspiel von Aromen – blumig & fruchtig –, Geschmacksrichtungen – süß & sauer – und Texturen – cremig & knusprig. So kontrastieren die knusprigen Streusel die cremige Konsistenz des Kamilleneises, während die Säure des Mirabellen-Granités perfekt die Süße der Meringe ausgleicht. Lass Dich also nicht abschrecken, die Mühe lohnt sich. Garantiert. Zudem lassen sich die einzelnen Komponenten mit relativ wenig Zeitaufwand vorzubereiten.
Anrichten
Zuerst spritzt Du die italienische Meringe spiralförmig zu einer runden Scheibe auf jeden Teller. Die Oberfläche flämmst Du mit einem Flambierbrenner leicht ab, bis sie goldbraun ist. Dann streust Du die Mandelstreusel und die Kamillenblüten darüber. Anschließend spritzt Du die beiden Gele auf und platzierst die Kamillenwürfel, sowie die Mirabellenhälften. Zum Schluss setzt Du jeweils eine Nocke Kamilleneis auf die Meringe und gibst das Granité daneben. Fertig zum Servieren.
Wenn Du die Möglichkeit hast, würde ich Dir empfehlen, die Teller vor dem Anrichten für 2 bis 3 Stunden ins Tiefkühlfach zu stellen, denn das Granité schmilzt recht schnell.
Ich wünsche Dir Guten Appetit!

Kamilleneis – Mirabelle – Mandel – Meringe
Zutaten
Kamilleneis
- 15 g getrocknete Kamillenblüten
- 500 ml Sahne
- 45 g Lindenhonig
- 1 g Johannisbrotkernmehl
- 6 Eigelb
- 45 g Zucker
Kamillengel
- 4 g getrocknete Kamillenblüten
- 200 ml Wasser
- 25 g Zucker
- 2 g Agar-Agar
Mirabellen-Granité
- 500 g Mirabellenpüree
- 100 ml Wasser
- 75 g Zucker
- 25 ml Rosenwasser
Mirabellengel
- 100 g Mirabellenpüree
- 25 g Zucker
- 10 ml Rosenwasser
- 1 g Agar-Agar
Mandelstreusel
- 50 g Mandeln gemahlen
- 50 g Mehl
- 50 g Zucker
- 50 g Butter weich
- 1 Prise Salz
Italienische Meringe
- 70 ml Zitronensaft
- 240 g Zucker
- 4 Eiweiß
Anrichten
- 2 EL getrocknete Kamillenblüten zerrieben
- 12 Mirabellen halbiert
Anleitungen
Kamilleneis
- Sahne, Lindenhonig und Johannisbrotkernmehl erwärmen, bis sich der Honig vollständig aufgelöst hat.
- Die Sahne-Honig-Mischung aufkochen und sofort vom Herd ziehen. Die Kamillenblüten zugeben, 5 min ziehen lassen und anschließend die aromatisierte Sahne durch ein Sieb gießen.
- In der Zwischenzeit die Eigelbe mit dem Zucker schaumig schlagen und die aromatisierte Sahne – unter ständigem Rühren – in die Eimasse gießen.
- Die Mischung zurück in den Topf geben und unter ständigem Rühren auf maximal 84 ℃ erhitzen, bis die Masse eindickt ("zur Rose abziehen"). Die Masse darf auf keinen Fall zu heiß werden, sonst gerinnt das Eiweiß. Ich benutze einen Rührspatel mit eingebautem Thermometer, um sicher zu gehen.
- Die Masse abkühlen lassen und über Nacht im Kühlschrank kaltstellen.
- Die fertige Eismasse in eine Eismaschine füllen und gefrieren lassen. Bis zur Verwendung im Tiefkühlfach aufbewahren.
Kamillengel
- Die Kamillenblüten mit kochendem Wasser übergießen, 8 min ziehen lassen und anschließend durch ein Sieb gießen.
- Den Kamillentee mit Zucker und Agar-Agar aufkochen. Eine Hälfe des Gelfonds 5 mm hoch in eine flache Kunststoffform gießen und nach dem Erkalten in Würfel schneiden. Die andere Hälfte nach dem Gelieren im Mixer fein mixen und in eine Spritzflasche füllen.
Mirabellen-Granité
- Mirabellenpüree, Wasser, Zucker und Rosenwasser im Mixer pürieren, durch ein Sieb in eine flache Form gießen und die Masse für 12 h (über Nacht) im Tiefkühlfach gefrieren lassen.
- Das Granité vor dem Anrichten mit einer Gabel abkratzen.
Mirabellengel
- Mirabellenpüree, Zucker, Rosenwasser und Agar-Agar aufkochen bis sich der Zucker vollständig gelöst hat. Das Gel nach dem Erkalten im Mixer fein mixen und in eine Spritzflasche füllen.
Mandelstreusel
- Alle festen Zutaten miteinander vermischen und die weiche Butter einkneten.
- Den Teig auf ein – mit Backpapier ausgelegtes – Blech krümeln und bei 170 ℃ Umluft für 10 min backen.
Italienische Meringe
- Zitronensaft und Zucker unter ständigem Rühren zum Kochen bringen.
- Das Eiweiß steif schlagen. Sobald die Temperatur des Zuckersirups 121 ℃ erreicht hat, das Rührgerät auf niedrigste Stufe stellen und den heißen Zuckersirup zugießen.
- So lange weiterschlagen, bis die Masse glänzend ist und sich die Schüssel kühl anfühlt (ca. 15 min). Die Meringemasse in einen Spritzbeutel mit einer großen glatten Tülle füllen und bis zur Verwendung kühl stellen.
Anrichten
- Die Meringe spiralförmig zu einer runden Scheibe auf jeden Teller spritzen und die Oberfläche mit einem Flambierbrenner leicht abflämmen, bis sie goldbraun ist. Mandelstreusel und Kamillenblüten darüber streuen. Anschließend die beiden Gele aufspritzen und die Kamillenwürfel sowie die Mirabellenhälften platzieren. Zum Schluss jeweils eine Nocke Kamilleneis auf die Meringe setzen und das Granité daneben geben. Fertig zum Servieren.
Quellen
[1] Sticher O (2010) Ätherische Öle und Drogen, die ätherisches Öl enthalten. In: Hänsel R, Sticher O (Hrsg) Pharmakognosie – Phytopharmazie. Springer. ISBN 978-3-642-00962-4.
[2] Irmisch S, Krause ST, Kunert G, Gershenzon J, Degenhardt J, Köllner TG (2012) The Organ-Specific Expression of Terpene Synthase Genes Contributes to the Terpene Hydrocarbon Composition of Chamomile Essential Oils. BMC Plant Biol 12: 84. DOI: 10.1186/1471-2229-12-84.
[3] Blank I, Fischer K-H, Grosch W (1989) Intensive Neutral Odorants of Linden Honey. Differences from Honeys of Other Botanical Origin. Z Lebensm Unters Forsch 189: 426-433. DOI: 10.1007/BF01028316.