Rheinkiesel – Bibbeleskäs – Brunnenkresse

Kartoffeln mit Quark 2.0: Essbare Kieselsteine mit selbstgemachtem Bibbeleskäs und nussig-scharfer Brunnenkresse. Ein optisches und geschmackliches Highlight das überrascht.

Rheinkiesel – Bibbeleskäs – Brunnenkresse“ ist eine Hommage an meine badische Heimat. Streng genommen handelt es sich dabei um Kartoffeln mit Quark. Ich mag dieses Gericht unheimlich gerne, aber normalerweise ist es nichts, was ich auftischen würde, wenn Gäste kommen. Bei meiner Version ist dies allerdings anders. Es handelt sich dabei um eine verfeinerte Variante, die sowohl geschmacklich, als auch optisch überzeugt. Kartoffeln mit Quark 2.0 sozusagen.

Essbare Rheinkiesel

Ich bin nur etwa fünf Kilometer vom Rhein entfernt aufgewachsen. Zu meinen Kindheitserinnerungen gehören zahllose Fahrradtouren an den Rhein und das damit verbundene Wetteifern darum, wer die flachen Rheinkiesel häufiger über das Wasser hüpfen lassen konnte. Bei den hier verwendeten Rheinkieseln handelt es sich allerdings um kleine Kartoffeln, umhüllt von einem dünnen, knusprigen Mantel aus Porzellanerde (Kaolin), Laktose und Aktivkohle.

Die Idee der essbaren Steine stammt von Andoni Luis Aduriz – einem der kreativsten Köche unserer Zeit. Der spanische Spitzenkoch war mit seinem Restaurant Mugaritz über viele Jahre hinweg Dauergast in den Top Ten der Restaurantrangliste „The World’s 50 Best Restaurants“. In einem gastronomischen Fachjournal beschreibt er ausführlich seine Idee hinter dem Gericht und dessen Genese [1]. Sein Ziel war es, ein nicht essbares Objekt – einen Flusskiesel – zu imitieren, um so den Gast zu überraschen. Genau dieser Grundgedanke gefiel mir und inspirierte mich zu meiner Interpretation von Kartoffeln mit Quark.

Die Zubereitung der essbaren Steine ist denkbar einfach. Zuerst musst Du am Vortag aus Kaolin, Laktose und Wasser eine homogene Paste für den Überzug zusammenmischen. Diese muss über Nacht im Kühlschrank „reifen“. Am nächsten Tag mischst Du feingemörserte Aktivkohle mit etwas Olivenöl und rührst diese Mischung in die Paste ein.

Herstellung der essbare Rheinkiesel: Aufgespießte Kartoffeln nach dem ummanteln mit einer Kaolin-Schicht

Nun kochst Du die kleinen Kartoffeln für etwa 20 Minuten in Salzwasser und lässt sie für fünf bis zehn Minuten ausdampfen. Anschließend steckst Du jede Kartoffel auf einen Holzspieß und tunkst sie – unter ständigem Drehen – in die Überzugspaste. Die Spieße steckst Du in eine Halterung und stellst diese für 30 Minuten bei 60°C Umluft in den Ofen. Anschließend nimmst Du die Steine von den Spießen, verschließt das Einstichloch mit etwas Paste und legst sie für weitere 15 Minuten zurück in den Ofen, bis der Überzug vollständig getrocknet ist. Ich habe die Spieße übrigens in einen kleinen – mit Reis gefüllten – Topf gesteckt. Funktioniert prima und den Reis kann man danach zurückfüllen und ganz normal verwenden.

Bibbeleskäs

Wenn man wie ich aus Baden kommt, verwendet man nicht irgendeinen Quark, sondern man nimmt Bibbeleskäs, wenn es besonders gut werden soll. Bibbeleskäs – Rohmilchquark – ist eine echte badische Spezialität und gehört zu jedem anständigen badischen Vesper dazu. Leider bekommt man Bibbeleskäs nicht im Handel. Aber das Tolle ist, dass Du ihn ganz leicht selbst herstellen kannst – er macht sich quasi alleine. Du muss nur Milch in einer abgedeckten Schüssel stehen lassen bis sie eindickt und dann in ein Sieb abgießen, um die Molke abtropfen zu lassen. Fertig. Die exakte Vorgehensweise bei der Herstellung findest Du hier bei „Bibbeleskäs – ein badischer Klassiker“.

Brunnenkresse

Mit der Echten Brunnenkresse (Nasturtium officinale) verbindet mich eine ganz besondere Beziehung. Zum einen gab es schon in meiner Kindheit ab und zu wildgesammelte Brunnenkresse als Salat. Zum anderen – und das ist wichtiger – habe ich mich über zehn Jahre lang wissenschaftlich mit dem Liebesleben des Meerrettichblattkäfers (Phaedon cochleariae) beschäftigt. Was das mit Brunnenkresse zu tun hat? Nun, dieser kleine Blattkäfer ernährt sich nur von Brunnenkresse und einigen nahverwandten Pflanzenarten. Daher habe ich viel Zeit mit der Suche nach Brunnenkresse verbracht. Falls Du auf dem Markt oder im Handel keine Brunnenkresse bekommst, kann ich sagen, dass Sie bevorzugt an sonnigen Stellen in sauberen, schnellfließenden Gewässern wächst. Also Gummistiefel an und ab zum nächsten Bach. Brunnenkresse ist übrigens wintergrün, d. h. Du kannst sie auch in der kalten Jahreszeit ernten.

Wildwachsende Brunnenkresse (Nasturtium officinale)

Während dieser Zeit habe ich die Brunnenkresse auch wieder aus kulinarischer Sicht schätzen gelernt. Ich liebe den herrlich nussigen Geschmack der Brunnenkresse und ihre angenehm senfartige Schärfe. Du kannst sie als Salat verwenden oder aber auch zu einem Pesto verarbeiten. Geschmacklich harmoniert Brunnenkresse hervorragend mit Birne und Haselnuss.

Die „Senföl-Bombe“

Diese Schärfe der Brunnenkresse stammt von Senfölglykosiden oder Glucosinolaten – die für Kohlgewächse (Brassicaceae) typisch sind. Es sind schwefel- und stickstoffhaltige Verbindungen, die sich von verschiedenen Aminosäuren ableiten [2]. Das aromatische Gluconasturtiin der Brunnenkresse leitet sich zum Beispiel vom Phenylalanin ab. Aromatisch hat in diesem Fall allerdings nichts mit dem Aroma zu tun, sondern bezieht sich auf den aromatischen Ring in der Seitenkette der chemischen Struktur von Gluconasturtiin.

Strukturformel eines Senfölglykosides am Beispiel von Gluconasturtiin (2-Phenethyl-Glucosinolat)

Für das Aroma und die Schärfe sind nämlich nicht die Senfölglykoside selbst verantwortlich, sondern deren Abbauprodukte – die Senföle. Diese entstehen erst, wenn das Pflanzengewebe verletzt wird. Dabei kommt das Glucosinolat mit dem Enzym Myrosinase in Kontakt und wird zu den scharf schmeckenden Senfölen (Isothiocyanate) hydrolysiert – die Senföl-Bombe explodiert. Daneben können in geringerem Umfang auch noch die korrespondierenden Thiocyanate und Nitrile entstehen [2].

Zündung der Senföl-Bombe: Abbau von Glucosinolaten durch Myrosinase zu Isothiocyanaten, Thiocyanaten und Nitrilen – am Beispiel von Gluconasturtiin.

Die Brunnenkresse kommt in diesem Gericht doppelt zum Einsatz. Einerseits als aromatisches Brunnenkresse-Öl und andererseits im Bibbeleskäs. Dazu musst Du zuerst die Brunnenkresse mit einem geschmacksneutralen Öl feinmixen und über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen. Am nächsten Tag lässt Du das Kräuteröl in einem Kaffeefilter abtropfen. Das Öl kommt bis zur Verwendung wieder in den Kühlschrank und das Brunnenkresse-Püree im Filter rührst Du unter den Bibbeleskäs [nach diesem Rezept] und schmeckst mit Salz ab.

Anrichten

Den Bibbeleskäs ringförmig auf den Tellern verteilen und jeweils drei essbare Steine darauf platzieren. Mit einigen Brunnenkresse-Blättern und -Blüten garnieren und das Brunnenkresse-Öl in die Mitte gießen. Fertig zum Servieren.

Kartoffeln mit Quark 2.0: Essbare Rheinkiesel mit Bibbeleskäs und Brunnenkresse

Kartoffeln mit Quark 2.0: Eine wunderbar leichte Vorspeise, die Deine Gäste überraschen wird.

Ich wünsche Guten Appetit!

Kartoffeln mit Quark 2.0: Essbare Rheinkiesel mit Bibbeleskäs und Brunnenkresse

Rheinkiesel – Bibbeleskäs – Brunnenkresse

Kartoffeln mit Quark 2.0: Essbare Kieselsteine mit selbstgemachtem Bibbeleskäs und nussig-scharfer Brunnenkresse. Ein optisches und geschmackliches Highlight, das überrascht.
Gericht Vorspeise
Küche Badisch
Portionen 4 Personen

Zutaten
  

Essbare Rheinkiesel

  • 12 kleine Kartoffeln festkochend
  • 60 g Kaolin (Porzellanerde)
  • 40 g Laktose
  • 80 ml Wasser
  • 7 ml Olivenöl
  • 1 g Aktivkohle feingemahlen

Brunnenkresse-Öl

  • 100 ml Rapsöl
  • 100 g Brunnenkresse

Bibbeleskäs

  • 200 g Bibbeleskäs siehe Grundrezepte
  • Brunnenkresse (Rückstand vom Brunnenkresse-Öl)
  • Salz
  • 1-2 Handvoll Brunnenkresseblätter
  • Blüten je nach Geschmack und Verfügbarkeit

Anleitungen
 

Essbare Rheinkiesel

  • Kaolin, Laktose und Wasser zu einer homogenen Paste verrühren und 12 h (über Nacht) im Kühlschrank „reifen“ lassen.
  • Feingemörserte Aktivkohle mit dem Olivenöl vermischen und in die Paste einrühren.
  • Die Kartoffeln für etwa 20 Minuten in Salzwasser kochen und für 5-10 Minuten ausdampfen lassen.
  • Die ausgedampften Kartoffeln auf Holzspieße stecken und unter ständigem Drehen in die Überzugspaste tauchen bis sie vollständig umhüllt sind.
  • Die Spieße in eine geeignete Halterung stecken und die Kartoffelsteine für 30 Minuten bei 60 °C Umluft im Ofen trocknen.
  • Die Steine von den Spießen lösen und die Einstichstelle mit etwas Kaolinpaste verschließen. Für weitere 15 min bei 60 °C Umluft fertigtrocknen und bis zum Anrichten im Ofen warmhalten.

Brunnenkresse-Öl

  • Die Brunnenkresse kurz blanchieren, in Eiswasser abschrecken und in einem Geschirrhandtuch kräftig ausdrücken.
  • Die Brunnenkresse mit dem Öl im Hochleistungsmixer für 5 Minuten bei maximaler Leistung feinmixen und 12 h (über Nacht) im Kühlschrank ziehen lassen.
  • Das Öl am nächsten Tag durch einen Kaffeefilter abgießen und bis zur Verwendung lichtgeschützt im Kühlschrank aufbewahren. Den Rückstand für den Bibbeleskäs verwenden.

Bibbeleskäs

  • Den Bibbeleskäs mit dem Brunnenkressepüree aus dem Kaffeefilter glattrühren und mit Salz abschmecken.

Anrichten

  • Den Bibbeleskäs in einen Spritzbeutel – mit großer Lochtülle – füllen und ringförmig auf den Tellern verteilen. Jeweils drei essbare Kieselsteine darauf platzieren und mit Brunnenkresse-Blättern und -Blüten garnieren. Zum Schluss das Brunnenkresse-Öl in die Mitte gießen. Fertig zum Servieren.

Inspiration

[1] Aduriz AL, Vergara J, Lasa D, Oliva O, Perisé R (2012) Culinary Trompe-l’Oeil: A New Concept in Coating. Int Gastron Food Sci 1: 70-77. DOI: 10.1016/j.ijgfs.2011.11.008

Quellen

[2] Halkier BA, Gershenzon J (2006) Biology and Biochemistry of Glucosinolates. Annu Rev Plant Biol 57: 303-33. DOI: 10.1146/annurev.arplant.57.032905.105228.

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