Das Ende naht!
Zumindest was den Spargelgenuss anbelangt. Wir bewegen uns nämlich schnellen Schrittes auf Johanni, den 24. Juni, zu und damit auf das traditionelle Ende der Spargelsaison. Höchste Zeit also, um noch ein letztes – in meinem Fall zugleich auch erstes – Spargelrezept für dieses Jahr zu posten.
Spargel (Asparagus officinalis) ist ein ganz besonderes Gemüse und wird nicht umsonst als Königin der Gemüse bezeichnet. Aber was macht Spargel so besonders? Nicht nur die begrenzte Verfügbarkeit von frischem Spargel trägt dazu bei, sondern vor allem das einzigartigen Aromaprofil, das die schlanken Stangen aufweisen, ist der Hauptgrund. Spargel besitzt nämlich einen ganz besonderen Inhaltsstoff – mit dem passenden Namen Asparagusinsäure –, den sonst keine andere Nutzpflanze aufweist.

Asparagusinsäure und einige davon abgeleitete Verbindungen sind maßgeblich für das Aroma von Spargel verantwortlich. Asparagusinsäure selbst wirkt astringierend, d. h. sie bewirkt ein Zusammenziehen der Mundschleimhaut und hinterlässt dadurch ein pelziges Mundgefühl – ähnlich wie gerbstoffreiche Säfte. Beim Kochen des Spargels wird die Asparagusinsäure zu 3H-1,2-Dithiol und 1,2,3-Trithian-5-carbonsäure abgebaut, da sie nicht sonderlich thermisch stabil ist. Vor allem das erste Abbauprodukt – 3H-1,2-Dithiol – trägt zu typischen Aroma von gekochtem Spargel bei [1].

Das Glucose-6-Asparaginat ist kein Aromastoff, aber erzeugt ein interessantes Mundgefühl, das an schmelzende Butter erinnert und so zum Spargelgenuss beträgt [2].
Ein weiterer Abbauprozess beim Kochen von Spargel ist die Hydrolyse von S-Methylmethionin zu Dimethylsulfid und Homoserin [1]. Dimethylsulfid ist sehr flüchtig und besitzt eine niedrige Wahrnehmungsschwelle, daher ist es eine Hauptaromakomponente von gekochtem Spargel. Allerdings entsteht die Verbindung generell beim Kochen von Gemüse und besitzt keinen spargelspezifischen Geruch, sondern ruft eher die Assoziation mit faulem Kohl hervor [3].

Asparagusinsäure ist übrigens auch der Ursprung für den typischen Duft von „Spargelurin“ – aber das behandle ich vielleicht irgendwann an anderer Stelle [3].
Der Klassiker
Normalerweise kommt Spargel bei uns zusammen mit Sauce Hollandaise auf den Tisch. Dazu gibt es entweder Kartoffeln oder Pfannkuchen. An dieser klassischen Kombination gibt es eigentlich absolut nichts auszusetzen, außer vielleicht, dass man es schon dutzendmal gegessen hat. Jedes Mal lecker, aber eben ohne Überraschungseffekt. Daher habe ich mir überlegt, wie man diesen Klassiker neu interpretieren kann, um so die Familie oder auch Gäste wieder zu überraschen.
Erdbeer-Hollandaise
Wer meine Über mich-Seite schon gelesen hat, weiß, dass ich aus einem kleinen badischen Spargel- und Erdbeerdorf stamme. Die Liebe zum Spargel – und auch zu Erdbeeren – wurde mir so zu sagen in die Wiege gelegt. Daher war es für mich nahliegend, Spargel mit Erdbeeren zu kombinieren. Ich bin nicht der Erste, dem diese Idee kommt, Spargel und Erdbeeren ist eine bewährte Kombination – denk nur an Spargelsalat mit Erdbeeren. Das Überraschende an meinem Rezept ist die Tatsache, dass die Erdbeeren in die Sauce Hollandaise eingearbeitet werden. Dazu koche ich zuerst einen Sirup auch hellem Karamell, Erdbeeren, Rhabarberschalen und alkoholfreiem Riesling. Die Inspiration dazu lieferte mir ein Rezept aus „Sven Elverfeld. Das Kochbuch“. Anschließend bereite ich eine klassische Sauce Hollandaise zu, nur dass die Reduktion nicht mit Weißwein, sondern mit dem Erdbeer-Rhabarber-Sirup, angesetzt wird. Für die Reduktion schneidet man Schalotten fein und lässt diese zusammen mit dem Sirup einreduzieren. Anschließend passiert man die Reduktion und schlägt sie mit Eigelb – Faustregel: 1 EL Reduktion pro Eigelb – so lange über einem Wasserbad auf, bis eine luftige Masse entstanden ist. Dann fügt man unter ständigem Schlagen die flüssige geklärte Butter hinzu, bis eine cremige Emulsion entsteht. Fertig ist die Erdbeer-Hollandaise.
Rhabarber-Relish & Co.
Nicht nur die Spargeldsaison endet am Johannistag, sondern auch die Rhabarbersaison. Grund genug, auch noch einen Platz für den Rhabarber zu finden. Das Unterfangen war nicht allzu schwer, da Rhabarber vorzüglich sowohl mit Spargel, als auch mit Erdbeeren harmoniert. Meine Wahl fiel auf ein Rhabarber-Relish. Dazu habe ich den Rhabarber in kleine Würfel geschnitten und in einer Mischung aus Erdbeer-Rhabarber-Sirup und Vanilleessig garziehen lassen. Anschließend werden die Rhabarberwürfel abpassiert und mit eingelegten Senfsamen gemischt. Der Sirup gleicht mit seiner fruchtigen Süße perfekt die Säure des Rhabarbers aus, und die Senfkörner steuern eine gewisse Schärfe sowie eine knackige Textur bei.
Zusätzlich habe ich noch einige Rhabarberscheiben in Erdbeer-Rhabarber-Sirup mariniert. Zu guter Letzt werden noch einige Rhabarbersticks in einer Isomalt-Gewürzmischung gewälzt – auch eine Idee von Sven Elverfeld –, um dem Gericht den letzten Schliff zu geben. Wichtig ist dabei, die Rhabarbersticks erst im letzten Moment in der Isomalt-Gewürzmischung zu wälzen, da diese sehr schnell Wasser ziehen.
Die finale Komponente meiner Kreation ist ein gratinierter Ziegenkäse. Dazu habe ich den Käse erst im Ofen gebacken, anschließend mit braunem Zucker bestreut und diesen dann mit dem Bunsenbrenner karamellisiert – ähnlich wie bei einer Créme brûlée. Als Topping habe ich noch etwas von der Gewürzmischung (ohne Isomalt) darüber gestreut.
Zum Anrichten werden erst die bissfest gekochten Spargel auf dem Teller platziert und mit etwas Erdbeer-Rhabarber-Sirup beträufelt. Daneben setzt man eine Nocke des Rhabarber-Relishs und den gratinierten Ziegenkäse. Jetzt gibt man die Erdbeer-Hollandaise über den Spargel und dekoriert das Ganze mit Blüten, Kräuter und eingelegten Rhabarberscheiben. Ganz zu Schluss wälzt man die Rhabarbersticks in der Isomalt-Gewürzmischung und toppt die Kreation damit.
Es empfiehlt sich, die Teller vorzuwärmen und vielleicht zwei zusätzliche Hände zum Anrichten zu gewinnen.
Ich wünsche Guten Appetit!

Spargel – Erdbeere – Rhabarber– Ziegenkäse
Zutaten
- 4 Ziegenkäse (z. B. Picodon) à 40-50 g
Spargelgemüse
- 12-16 Stangen Spargel (ca. 500 g)
- 1 Scheibe Toastbrot
- Zitronensaft
- Zucker
- Salz
- 1 EL Butter
Erdbeer-Rhabarber-Sirup
- 20 g Zucker
- 250 ml Riesling alkoholfrei
- 150 g Erdbeeren
- 3 Rhabarberstangen (nur die Schalen)
- 1 Zitrone
- 1 Vanilleschote
- 2 g Anis
Rhabarberschalen-Gewürzmischung
- 3 Rhabarberstangen (nur die Schalen)
- 15 g Estragon
- 5 g Fenchelsamen
- 5 g Anissamen
- 10 g Rosa Pfefferbeeren
Eingelegte Senfkörner
- 1 EL Gelbe Senfkörner
- 50 ml Erdbeer-Rhabarber-Sirup
Rhabarber-Relish
- 100 g Rhabarber geschält
- 30 ml Erdbeer-Rhabarber-Sirup
- 30 ml Vanilleessig
- 1 TL eingelegte Senfkörner
- Salz
- Rosa Pfefferbeeren frisch gemahlen
Eingelegte Rhabarberscheiben
- 5 cm Rhabarber
- 50 ml Erdbeer-Rhabarber-Sirup
Erdbeer-Hollandaise
- 200 g Butter
- 100 ml Erdbeer-Rhabarber-Sirup
- 2 Schalotten
- 3 Eier
- Zitronensaft
- Salz
- Rosa Pfefferbeeren frisch gemahlen
Rhabarbersticks
- ½ Rhabarberstange
- 50 g Isomalt
- 20 g Rhabarber-Gewürzmischung
Dekoration
- Blüten nach Verfügbarkeit (z. B. Hornveilchen, Kapuzinerkresse, Schnittlauch)
- Kräuter nach Verfügbarkeit (z. B. Estragon, Kapuzinerkresse, Schafgarbe)
Anleitungen
Spargelgemüse
- Spargel schälen und den unteren holzigen Teil entfernen.
- Aus den Schalen einen Fond kochen. Hierzu die Schalen zusammen mit 1,5 l Wasser, der Toastbrotscheibe, sowie etwas Salz und Zucker einmal aufkochen, abschäumen und ½ Stunde ziehen lasse. Anschließend den Fond abpassieren und mit Salz, Zucker und etwas Zitronensaft abschmecken.
- Spargelfond mit der Butter aufkochen und den Spargel darin bissfest garen (ca. 8 bis 10 min, je nach Dicke der Stangen).
Erdbeer-Rhabarber-Sirup
- Den Zucker in einem Topf leicht karamellisieren lassen zu und mit Zitronensaft ablöschen.
- Anschließend mit dem Riesling aufgießen und in die restlichen Zutaten dazugeben.
- Das Ganze einmal aufkochen und anschließend auf dem ausgeschalteten Herd ½ Stunde ziehen lasse. Den Sirup abpassieren.
Rhabarberschalen-Gewürzmischung
- Estragonblätter von den Zweigen zupfen.
- Rhabarberschalen und Estragonblätter bei 70℃ für 4-6 Stunden in Ofen trocknen. Anschließend zusammen mit den Gewürzen in einer Küchenmaschine zu feinem Pulver mahlen und luftdicht aufbewahren.
Eingelegte Senfkörner
- Die Senfkörner in 100 ml Wasser einmal aufkochen, 5 min ziehen lassen und abgießen. Mit kaltem Wasser abspülen und in ein kleines Einmachglas füllen.
- Den Erdbeer-Rhabarber-Sirup aufkochen und heiß über die Senfkörner gießen. Das Glas verschließen und die Senfkörner über Nacht im Sirup ziehen lassen.
Rhabarber-Relish
- Den Rhabarber in kleine Würfel schneiden (2-3 mm Kantenlänge).
- Den Erdbeer-Rhabarber-Sirup zusammen mit dem Vanilleessig aufkochen und über die Rhabarberwürfel gießen. Die Würfel im Sirup auskühlen lassen.
- Die abgekühlten Rhabarberwürfel durch ein Sieb abgießen, mit den eingelegten Senfkörnern mischen und mit Salz abschmecken.
Eingelegte Rhabarberscheiben
- Den Rhabarber in ca. 1 mm dicke Scheiben schneiden und mindestens 2 Stunden im Erdbeer-Rhabarber-Sirup ziehen lassen.
Erdbeer-Hollandaise
- Die Butter in einem Topf erhitzen und so lange köcheln lassen, bis sich die Molke abtrennt. Die Butter durch ein feines Sieb oder einen Kaffeefilter gießen.
- Die Schalotten schälen und fein schneiden.
- Die Schalotten zusammen mit dem Erdbeer-Rhabarber-Sirup aufkochen und bei geringer Hitze auf 3 EL einkochen lassen. Durch ein Sieb abgießen.
- Die Eigelbe zusammen mit dem einreduzierten Sirup über einem heißen Wasserbad cremig aufschlagen.
- Die Eimasse vom Wasserbad nehmen und die – auf 90℃ temperierte – geklärte Butter in einem dünnen Strahl unterschlagen, bis eine cremige Emulsion entsteht.
- Mit Zitronensaft, Salz und frisch gemahlenen rosa Pfefferbeeren abschmecken.
Gratinierter Ziegenkäse
- Ofen auf 200 ℃ Ober- und Unterhitze vorheizen.
- Ziegenkäse für 8 min im Ofen backen.
- Käse aus dem Ofen nehmen, mit braunem Zucker bestreuen und diesen mit einem Bunsenbrenner karamellisieren. Abschließend noch mit etwas Rhabarberschalen-Gewürzmischung bestreuen.
Rhabarbersticks
- Isomalt und Rhabarberschalen-Gewürzmischung mischen und die Rhabarbersticks darin wälzen.
Anrichten
- Spargel auf dem Teller platzieren, mit etwas Erdbeer-Rhabarber-Sirup beträufeln, eine Nocke Rhabarber-Relish und den gratinierten Ziegenkäse daneben setzen. Die Erdbeer-Hollandaise über den Spargel gießen. Mit Blüten und Kräuter dekorieren und direkt vor Servieren die Rhabarbersticks fertigstellen und platzieren.
Inspiration
Sven Elverfeld, Jan Brinkmann (2011) Sven Elverfeld. Das Kochbuch. Collection Rolf Heyne. ISBN 978-3-89910-465-3.
Quellen
[1] Tressl R, Bahri D, Holzer M, Kossa T (1977) Formation of Flavor Components in Asparagus. 2. Formation of Flavor Components in Cooked Asparagus. J Agric Food Chem 25: 459-463. DOI: 10.1021/jf60211a048
[2] Dawid C, Hofmann T (2012) Identification of Sensory-Active Phytochemicals in Asparagus (Asparagus officinalis L.). J Agric Food Chem 60: 11877-11888. DOI: 10.1021/jf3040868
[3] Streller S, Roth K (2018) Vom Hochgenuss zum Gestank. Das Aroma des Spargelurins. Chem Unserer Zeit 52: 112–119. DOI: 10.1002/ciuz.201800853